Vielleicht unterfordert?
Gähnen ist ein Reflex, der in unserer lymbischen Gehirnregion verankert ist. Ursprünglich handelte es sich um ein überdeutliches Zeigen der Abwehrkräfte, und zwar der Zähne. Man sehe sich beispielsweise einen Film über den Mandrill an. Dessen permanente Drohgebärde mit dem Zeigen der riesigen Hauer und des leuchtend roten Zahnfleischs wirkt auch für uns Menschen stark furchteinflößend: „Schau, was für ein großes, gefährliches Gebiss ich habe, um dich zu verletzen oder zu verschlingen“. Dieses Maulaufreißen diente vor allem als Signal gegen Feinde und Rivalen. Auch als soziale Komponente für die Gruppenmitglieder ist diese Demonstration der Stärke zu deuten; das Alphamännchen festigte damit seine Dominanz. Damit lässt sich auch erklären, dass im Tierreich das Gähnen bei Männchen häufiger vorkommt als bei Weibchen. Das Gähnen ist ansteckend. Wenn eine ganze Gruppe dem Initial folgte, potenzierte sich die Drohgebärde gegenüber Feinden und stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gruppe. Man gähnt bei Müdigkeit, Langeweile, Tiefenentspannung oder als Signal der Friedfertigkeit. Ursprünglich wurde verstärkt gedroht, wenn man müde war oder anderweitig keine kämpferische Auseinandersetzung wollte. Auch für sexuelle Handlungen eignete sich die Drohgebärde als Initialzündung. Das Männchen wirkte in seiner physischen Dominanz psychisch entspannt und somit für Weibchen attraktiv und gleichzeitig hielt das Männchen mit dieser Gebärde Konkurrenten auf Distanz.
Der genetische Ursprung liegt wohl schon vor den Dinosauriern, da auch Fische eine Form des Gähnens zeigen. Andererseits lässt sich dies auch als eine phylogenetische Parallelentwicklung deuten. Bei Tieren mit Kiemen könnte das Maulaufreißen dem verstärkten Durchfluss von Wasser zur besseren Sauerstoffversorgung gedient haben.
Wer meint, zu häufig zu gähnen, ist vermutlich unterfordert und sollte sich mehr Stress gönnen.