Narzißmus - Der Versuch einer Beschreibung am eigenen Beispiel
Ich wollte nie selbstverliebt sein!
Gestern hatte ich ganz viele Informationen über Narzissmus im Internet gelesen. Insbesondere eine sehr umfangreiche und aufschlussreiche Ausarbeitung von Volker Faust (http://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/faust1_narzissmus.pdf).
Jetzt bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich nicht ein „reiner“ Borderliner bin, wie ich das bisher angenommen hatte, sondern dass ich eher ein narzisstischer Borderliner bin. Die Beispiele, die in den Artikeln aus dem Internet angegeben waren, trafen auf mich zu:
Ich war immer auf Anerkennung und Bewunderung durch andere aus. So kam ich in eine Abhängigkeit zu den andenen, ich idealisierte sie (wie beispielsweise meinen Ex-Ehemann in der Zeit, als ich noch mit ihm zusammen war; meinen Klavierlehrer, meinen Arzt, meinen Vater, und … und …) Diese Menschen bringen mich irgendwie weiter, sie sind für mich übermäßig wertvoll, ich finde sie ganz toll und idealisiere sie. Aber sobald diese Menschen mir nichts mehr bringen oder sie mir nicht die Anerkennung geben, die ich brauche, dann denke ich, die sind eigentlich gar nicht so toll, sie sind das alles nicht wert – ich entwerte sie. Alles, was an ihnen eben noch gut, ideal und überdimensional war, ist jetzt plötzlich mies, berechnend und manipulierend ….
Warum ist das bei mir so?
Weil ich selbst keine eigene Basis habe, die mir Halt geben könnte. Deshalb meine verzweifelte Abhängigkeit von denjenigen anderen, die großartige Fähigkeiten haben, welche ich von ihnen übernehmen möchte. Oder es sind diejenigen, die mich bewundern. Oder beides. Das sind die entscheidenden Dinge, die mich an anderen interessieren und reizen.
Irgendwie ist das ganz schön mies. Ich will von den anderen profitieren, es geht mit nicht um die Menschen selbst als Person. Wenn ich sie ausgesaugt habe und nichts mehr von ihnen zu haben ist, dann bin ich erhaben über sie. Ich unterstelle den anderen dann Hintergedanken, wenn sie mit mir zusammen sein möchten. Ich kann dann alle ihre Schwächen und negativen Eigenheiten komplett aufzählen – um sie dann als tiefer stehend und nicht wertvoll für meine Gegenwart anzusehen.
Das ist wohl auch die Erklärung dafür, dass ich bei meinen bisherigen Partnerschaften (und auch bei weiteren Kontakten zu anderen) so oft verzweifelt an dem anderen geklebt habe, dass ich meine ganze Persönlichkeit zugunsten der Verschmelzung mit dem anderen aufgegeben habe, um endlich ein Ziel und einen Halt zu haben. Das war der Grund dafür, dass ich genau dieselben Leute, die ich eben noch idealisiert hatte, von einem Tag auf den anderen wie eine heiße Kartoffel fallen lassen konnte.
Man könnte meinen, es ginge mir darum, mit den Menschen zu spielen – sie heute auf den Thron zu heben und morgen in den Keller fallen zu lassen. Aber das ist es aus meiner Sicht nicht.
Es ist eher meine Angst vor Einsamkeit und Haltlosigkeit, meine Hoffnung, endlich den rettenden Strohhalm für das Geheimnis des Lebens (im anderen Menschen) gefunden zu haben.
Und dann wieder, wenn der andere mir nichts mehr geben kann (weil seine Anerkennung keinen so endlosen Atem hat, wie mein Bedarf danach ist oder weil ich die bei dem anderen bewunderten und begehrten Fertigkeiten selbst übernommen habe und hinter das Geheimnis gekommen bin) meine grenzenlose Enttäuschung, meine Verzweiflung, dass das Leben eine einzige Bedrohung für mich ist und dass niemand zu mir steht und mich beschützt. Die Angst, dass niemand mich liebt. Die Angst, dass niemand mich sieht, wie ich wirklich bin. (Ich selbst weiß ja am wenigsten, wer und wie ich wirklich bin. Das schon allein deshalb, weil ich immer nur so bin, wie ich das gerade glaube, dass andere es von mir erwarten.
Woher weiß das Chamäleon, welche Farbe seine Haut gerade hat? Es orientiert sich an seiner Umgebung. Ebenso können andere mir besser als ich selbst sagen, wer und wie ich bin. Das ist dann meine Basis und mein Halt. Sobald der andere mir das nicht mehr gibt oder geben kann, löse ich mich auf und versinke in grenzenlose Verzweiflung und Haltlosigkeit. Ich habe dann eigentlich kein vernünftiges Argument mehr für mich selbst, meine Zeit hier zu verbringen. Ich habe dann auch keine Wünsche und Ziele mehr. Jemand fragte mich einmal vor nicht langer Zeit, was ich mir für de Zukunft vorstelle. Ich antwortete völlig selbstverständlich: „Ich weiß nicht. … Das hängt doch von meinem künftigen Partner ab.“ Für mich selbst ist das offenbar völlig egal, ob ich auf dem Bauernhof lebe oder ob ich Strafverteidigerin oder Sängerin bin.
Deshalb bin ich so sehr darauf angewiesen, dass der andere mir ein Selbst gibt, das ich dann leben kann.
Und die Grandiosität der Narzissten?
Kein Problem!!! Im Grunde meines Herzens weiß ich genau: ich bin ein besonderer Mensch. Das, was ich wirklich will, das werde ich immer erreichen – und die Vergangenheit gibt mir recht.
Natürlich würde ich das anderen gegenüber niemals zugeben, schließlich will ich nicht als arrogant und überheblich dastehen - und außerdem bin ich ein Chamäleon. Aber selbstverständlich würde ich von anderen bei weitem niemals das verlangen, was ich von mir selbst verlange, weil ich mir ganz sicher bin, dass andere ohnehin nicht diese Leistungen erbringen können, die ich jederzeit zu tun imstande bin. Auch hier wieder meine ich, überhaupt nicht arrogant zu sein, sondern nur das Leistungsvermögen von mir und anderen ganz realistisch einschätzen zu können.
Wenn ich so auf mein bisheriges Leben zurück blicke, dann denke ich immer, ich habe doch eigentlich nichts Besonderes erreicht. Ich bin aber auch immer geschmeichelt, wenn andere mir eine Anerkennung und Hochachtung entgegenbringen. Und das, obwohl ich ihnen immer nur einen geringen Ausschnitt aus meinem Leben mitteile.
Wo kommt dieser Narzissmus her? Sind das die Gene? Ist es die Erziehung?
Wurde ich in meiner Kindheit zu sehr verwöhnt und wurden mir zu wenig Grenzen gesetzt?
Die Wissenschaft kann das wohl jetzt noch nicht klären.
Ich bin bei meinen Eltern aufgewachsen, die waren beide Narzißten und hatten zusätzlich noch einige andere seelischen Störungen. Ich hatte 2 ältere und 3 jüngere Geschwister.
Also die Gene?
Ich glaube nicht. Ich denke, wenn ich schon als kleines Kind willkommen gewesen wäre, wenn ich in einer liebevollen Umgebung außerhalb der Reichweite meiner leiblichen Eltern aufgewachsen wäre, wenn ich dort etwas mehr verwöhnt worden wäre und ich weniger Grenzen gegenüber gestanden hätte, wenn sich jemand für meine Neigungen und Fähigkeiten angemessen interessiert hätte, dann hätte ich mich selbst frühzeitig selbst erkenn und finden können.
Jetzt bin ich ungefähr 50 Jahre alt und versuche seit 5 Jahren in mühsamer Kleinarbeit im Rahmen einer Therapie, das Verlorene oder nie Gelebte nachzuholen. Die Suche nach mir selbst wird wohl noch weit mehr als weitere 5 Jahre andauern, aber ich möchte keine der vielen Stunden missen!