Wissenschaftler
Auch wenn die Beiträge hier schon recht alt sind, möchte ich zu einigen vorgebrachten Meinungen Stellung beziehen, da sie zeitlos sind.
Selbstverständlich muss man jede Aussage kritisch prüfen. Auch unter Wissenschaftlern gibt es Nieten und Hochstapler. Wenn ein Wissenschaftler wirklich ordentlich arbeitet, kannst Du seinen Aussagen nahezu 100% vertrauen, zumindest in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften sieht es leider längst nicht so gut aus.
In der Physik und anderen "harten" Naturwissenschaften kannst Du Deine Experimente sorgfältig planen und durchführen. Da kannst Du recht leicht alle Versuchsbedingungen so festlegen, wie Du es haben willst, und Störfaktoren weitgehend ausschalten oder als weitere bekannte Einflussfaktoren in Deine Rechnung mit einbeziehen. Damit kannst Du garantieren, dass Deine Ergebnisse grundsätzlich richtig sind und Du kannst für Deine Messergebnisse Fehlerschranken angeben.
Selbstverständlich gibt es auch in den Naturwissenschaften Scharlatane, die Versuche und Messergebnisse fälschen. Aber das kommt relativ selten vor und fliegt meist schnell auf, wenn andere Wissenschaftler diese Forschungen gründlich überprüfen, die gleichen Versuche machen und zu anderen Ergebnissen kommen.
Anders sieht es bei Geistes- und Sozialwissenschaften aus. Dazu zählt auch die Medizin und davon abgeleitete Gebiete. Die westliche Medizin arbeitet zwar überwiegend mit naturwissenschaftlichen Hilfsmitteln, ist aber selber keine Naturwissenschaft.
Das Hautproblem ist, dass in vielen Bereichen vom Wesen her keine Experimente möglich sind, wie etwa in Theologie oder Philosophie, und selbst wenn Du Versuche anstellen kannst, kannst Du sie nicht so wie in der Physik planen und durchführen, da das oft praktisch unmöglich ist oder gegen Menschenwürde, Tierschutz oder Umweltschutz verstoßen würde. Insbesondere hast Du sehr viele Begleitfaktoren, die Du weder steuern noch in ihrer Größe und Auswirkung erfassen kannst. In diesem Bereich haben es dann Scharlatane und Möchtegern-Wissenschaftler besonders leicht. Aber selbst wenn sich ernsthafte Wissenschaftler Mühe geben, sorgfältig nach anerkannten Methoden zu arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie störende Einflüsse nicht erkennen oder nicht beseitigen können und nicht ausreichend berücksichtigen.
Ein weiteres großes Problem ist die Statistik. Wenn Du viele male würfelst, erwartest Du, dass Du im Mittel jeweils ein sechstel der Würfe Einer bis Sechser erhältst. Wenn Du 60000 Würfe machst und Würfel und Wurfmaschine in Ordnung sind, dann liegen die Anzahlen der Einer bis Sechser tatsächlich sehr dicht bei 10000. Wenn Du dagegen nur 60 Würfe machst, dann ist es keineswegs ungewöhnlich, wenn Du 5 oder 20 Sechser bekommst.
Wenn Du die Wahrscheinlichkeit ausrechnest, mit der eine bestimmte Anzahl von Sechsen auftritt, bekommst Du eine Glockenkurve mit einem Maximum beim erwarteten Wert, aber auch Werte etwas links und rechts davon sind noch recht wahrscheinlich. Je weiter Du vom erwarteten Wert abweichst, um so unwahrscheinlicher wird es, dass so ein Wert auftritt. Je mehr Würfe Du machst, um so schmaler wird diese Glocke und um so genauer kannst Du sagen, ob der Würfel in Ordnung oder gezinkt ist.
Wenn Du medizinische Versuche machst, z.B. um festzustellen ob ein neues Medikament besser wirkt als ein bisheriges, hast Du genau dieses Problem, zu entscheiden, ob in Anbetracht der sonstigen Merkmale der Patienten die festgestellten Unterschiede zufällig sind oder das Medikament wirklich wirkt. Da aber solche Versuche meist recht teuer sind, versucht man, mit möglichst kleinen Versuchsgruppen auszukommen. Dem entsprechend unsicher sind natürlich die Ergebnisse. Aber selbst wenn die Kosten keine große Rolle spielen, bekommst Du oft nicht genügend geeignete Patienten zusammen. Ein sorgfältiger Wissenschaftler wird natürlich genau die Anzahl der Probanden und die Versuchsbedingungen angeben, so dass ein kundiger Leser durchaus abschätzen kann, wie verlässlich die Ergebnisse sind. Und wenn ein zweites oder drittes unabhängiges Forscherteam zu den gleichen Ergebnissen kommt, am besten mit einer höheren Probandenzahl, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die Ergebnisse richtig sind.
Es gilt mittlerweile als gesicherte Erkenntnis, dass die sexuelle Orientierung weitgehend bis vollständig von Geburt an festgelegt ist, insbesondere durch die Zwillingsforschung. Welche Rolle Einflüsse in früher Kindheit spielen, ist noch nicht ganz geklärt. Aber Erziehung und der Einfluss von Mitschülern, Verwandten und Bekannten spielt sicherlich keine nennenswerte Rolle. Ebenso ist gesichert, dass sich die sexuelle Orientierung nicht ändern lässt.
Ein ganz anderes Kapitel ist, wann und wie man seine sexuelle Orientierung erkennt und auslebt. Da kommt es leicht vor, dass jemand sich verleugnet, wenn seine Umgebung Homosexualität nicht billigt.
In meiner Kindheit und Jugend war Homosexualität nie ein Thema für mich. Erst mit 20 Jahren hat ein älterer Bekannter, der schwul war, mich vorsichtig mit diesem Gedanken vertraut gemacht und ich habe gemerkt, dass ich selber schwul bin. Aber rückblickend passt alles zusammen.
Schon in der Grundschule in gemischten Klassen hatte ich nur Jungen als Freunde, mit Mädchen habe ich mich so gut wie nie abgegeben. Das Gymnasium war eine reine Jungenschule. Da war es naheliegend, dass ich auch da nur Jungen als Freunde hatte. Als später viele Mitschüler zum Tanzen gingen und Freundinnen hatten, habe ich mir immer noch keine Gedanken gemacht, weil ich dachte, das kommt noch und ich kann mir Zeit lassen. Ich wollte ohnehin erst nach dem Studium heiraten. Dazu kommt, dass in meiner Jugend Homosexualität noch durch §175 StGB mit Strafe bedroht war. Mit meinen Eltern habe ich nie darüber gesprochen. Mein Vater muss es später geahnt haben (nach dem Studium, hat mich aber nie darauf angesprochen.