Familie des Opfers und zugleich Täters

Hallo!

Vor einigen Wochen hat uns unser Bruder mitgeteilt, dass innerhalb seiner Therapie der Veracht entstand, dass er von unserem Vater im Kindesalter missbraucht wurde.
Dies muss im Alter zwischen 2-4 Jahre passiert sein. "Nur" einige Male. Er ist jetzt Mitte 30 und sucht seit ca. 2 Jahren eine Psychologin auf. Hauptursache waren die typischen Merkmale wie extreme Ängste ... etc.
Da diese Psychologin mit der örtlichen Hypnose vertraut ist, gelangte dieser schlimme Verdacht ans Tageslicht. Er fühlt er nur innerhalb dieser Hypnose, dass es dort einen Mann gibt, der mein Vater sein muss. Wirkliche Erinnerungen hatte er bis dato keine.
Unser Vater wurde noch nicht mit dem Thema konfrontiert. Und für uns anderen Familienmitgliedern ist es ein schwerer Schock. Seit Sonntag weiß es auch unsere Mutter. Auch für sie ist es jetzt natürlich unheimlich schwer, mit der Erkenntnis umgehen zu können. Wir Geschwister wohnen nicht mehr zu Hause, somit ist meine Mutter alleine mit unserem Vater und dem Thema alltäglich konfrontriet.
Ich habe jetzt bereits einiges nachgelesen und weiß, dass es nicht unüblich ist, nach so vielen Jahren den Ausbruch dieses Traumas mitzuerleben.

Nur, es bestehen zig andere Fragen. Wenn mein Vater so eine Neigung hätte, würde er dann nicht fortlaufend meine Bruder oder andere Jungen bedrängt haben oder heutzutage bedrängen?? Meist lese ich, dass es bis in die Pubertät oder darüber hinaus passiert sei.
Zumindest gehen wir jetzt davon aus, dass er sich lediglich an unserem Bruder vergangen hat, was ja eh schon unverzeihlich ist.
Aber er hat dennoch alles für uns getan. War liebevoll und hat uns nie in unsittlicher Art und Weise angefasst.

Leider besteht seit gut 15 Jahren kein gutes Verhältnis zwischen den Beiden.
Sie sind vom Charakter recht unterschiedlich und hatten sich öfters in den Haaren.
Dennoch sind mir im Nachhinein keinerlei Auffälligkeiten und Spannungen zwischen den Beiden aufgefallen.

Für meinen Bruder ist er jetzt sicherlich ein Monster oder stellt ein Hassbild dar, jedoch für uns andere Geschwister ist es schwer, dieses Bild aufrechtzuerhalten.
Uns hat er in dem Sinne nichts getan.

Selbst mein Bruder meinte, dass er eine glückliche Kindheit gehabt hätte.


Ich kann bestimmt nicht das gesamte Parket mitteilen. Dennoch hoffe ich, einige Anmerkungen zu erhalten. Dafür wäre ich sehr dankbar.

Lieben Gruß

Antworten (1)
Familie des Opfers und zugleich Täters

Hallo Moni, auch wenn Deine Anfrage schon lange zurückliegt und möglicherweise nicht mehr aktuell ist, möchte ich dennoch ein paar Gedanken beitragen. Vielleicht helfen sie Dir doch noch weiter.

Es ist ja allgemein bekannt, dass das Gedächtnis eine Menschen sehr löchrig ist und man sich an vieles nicht mehr erinnern kann. Das betrifft nicht nur die Kindheit und Jugend sondern auch die spätere Zeit. Vieles ist endgültig vergessen, aber manches kann ein geschulter Psychologe wieder hervorholen.

So, wie Du die Geschichte erzählt hast, gehe ich davon aus, dass wahrscheinlich alles so stimmt. Falles es sich so zugetragen hat, hat Euer Vater sicherlich diese Neigung. Aber eine Neigung zu haben und sie ausleben, sind zwei paar Stiefel. Es kann gut sein, dass Euer Vater gemerkt hat, dass sein Verhalten falsch war, und er in Form einer tätigen Reue sich dann besonders liebevoll um seine Kinder gekümmert hat.

Du betrachtest das Verhalten Eures Vaters als unverzeihlich. Dennoch solltet Ihr Euch überlegen, ob Ihr nach der langen Zeit doch verzeihen könnt. Falls Ihr mit Eurem Vater redet, solltet Ihr ihm jetzt keine Vorwürfe mehr machen. Schließlich hat er sich lange Zeit als liebevoller Vater gezeigt. Ihr solltet Euren Vater nur darauf ansprechen, wenn Ihr den Eindruck habt, dass das Deinem Bruder deutlich hilft.

Und behalte auch eines im Auge: es kommt immer wieder vor, dass Psychologen Anzeichen falsch deuten, sich etwas zusammenreimen und dann dem Patienten etwas einreden, was nie stattgefunden hat, und er es dann selber glaubt. Wenn Ihr also auch nur den geringsten Zweifel daran habt, dass Euer Vater Deinen Bruder missbraucht habt, sollte sich Dein Bruder bei einem zweiten Psychologen in Behandlung begeben und der sollte versuchen festzustellen, ob das wirklich so passiert ist.

Weiterhin schreibst Du, dass die Psychologin herausfand, dass Dein Bruder in seiner frühen Kindheit schlimme Erlebnisse mit einem Mann hatte. Du schreibst, dass es Dein Vater sein "muss". Zugegeben, das ist das wahrscheinlichste. Aber versuche mal zusammen mit Eurer Mutter herauszufinden, ob vielleicht auch andere Männer als Täter in Frage kommen, sei es mit, sei es ohne Wissens Eures Vaters. Das liebevolle Verhalten Eures Vaters kann tätige Reue sein, es kann aber auch sein, dass Eurer Vater mit der Sache nichts zu tun hat.

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