Tja, Heels und FSH und Röcke... ist noch schwer heute...
Seit mehr als 10-15 Jahren lese ich in verschiedensten Internetforen Beiträge zum Thema
- Mann im Rock
- Mann in Strumpfhosen
- Mann in HighHeels
- etc...
Die zu diesen Themen gehörenden Fragen und Antworten von mehr Männern als Frauen zeugen m.E. nach insgesamt von
- tiefer Verunsicherung
- wenig Toleranz gegenüber Andersartigem und Neuem
- Schubladen-Denken und starres Festhalten anstatt Offenheit
- Haltungen der Art "entweder-oder" anstatt "sowohl-als-auch"
- hartnäckigen Werturteilen (zumeist unbewusst)
- etc...
Bei Fragestellungen der Art "Darf ich dieses oder jenes?" oder "Wie findet Ihr, wenn ich...?" bekommen die sich Offenbarenden überwiegend Antworten folgender Kategorien:
- Zuspruch von Gleichgesinnten (häufig verbunden mit deren "Outing")
- Ermunterung von thematischen Fürsprechern (beiderlei Geschlechts)
- Be- oder Abwertung von Nicht-Befürwortern bzw. Gegnern (beiderlei Geschlechts)
- etc...
Wer solche Fragen stellt, sollte auch mit den Antworten umgehen können bzw. dieses lernen. In Deutschland, Europa oder noch allgemeiner "dem Abendland" ist vieles möglich, weil nicht explizit verboten. Unsere Mitmenschen interessieren sich aber nur teilweise für solche Fragen, und viele sind auch in durchaus verständlicher Weise mit ihren eigenen Themen beschäftigt. Von denjenigen, welche in den Internetforen unterwegs sind, ist m.E. nur ein Teil dazu fähig, sich mit diesen Themen in einer Weise auseinanderzusetzen, die anderen deren Würde läßt. Viel häufiger trifft man auf Angst, Unverständnis und Diskriminierung.
Ich würde es entschieden begrüßen, wenn wir alle heutztage bereits in der Lage wären, uns gegenseitig in unserer Unterschiedlichkeit zu respektieren und zu achten... und wenn wir diese Verschiedenheit als Bereichung sehen könnten. Auf diese Weise könnte unsere Welt bunter und schöner werden. Wäre das gegeben, dann könnten sich auch Männer z.B. so frei kleiden wie Frauen. Aber selbst diese Freiheit garantiert nicht, dass dies den anderen gefällt. Toleranz ist auf beiden Seiten gefragt, denn auch die Betrachter müssen doch die Freiheit haben für sich selbst zu entscheiden, ob etwas dem persönlichen Geschmack entspricht. Niemand sollte vom Gegenüber erwarten und fordern, mit den eigenen Neigungen zu "gefallen".
Das Internet und seine Foren hat die Themen zwar breiter zugänglich gemacht, löste aber auch in den letzten 10-15 Jahren keineswegs die grundsätzliche Problematik. Von gleichen Rechten und gleicher Stellung sind wir in vielen Bereichen leider noch weit entfernt. Das gilt für Lohn, Religion, sexueller Orientierung etc... und auch für Kleidung.
Wer im Web recherchiert, der findet vielgestaltige Berichte und Studien über historische Hintergünde und Entwicklung von Kleidung, Argumente zu Vor- und Nachteilen aus praktischen Überlegungen, Erklärungen zu persöhnlichen Neigungen sowie logischen Gedankenspielen der Art "Mann in Rock" sei nichts anderes als "Frau in Hose". Letztere Argumentationen basieren allesamt auf einer vermeintlichen wechselseitigen Tauschbarkeit, die aber leider (noch) nicht gegeben ist.
Die Natur definiert (biologisch/genetisch), ob ein Mensch männlich oder weiblich ist. Aus Chromosomen XY wird ein Mann, aus XX eine Frau. Andere Kombinationen stellen im weitesten Sinne Krankheiten dar, z.B. das Down-Syndrom mit XXY (=mongoloid). Daran ist nicht zu rütteln.
Die Gesellschaft definiert, was es bedeutet(!), ein Mann oder eine Frau zu sein, und diese Bedeutungsgebung ist durchaus von einem zumeist langsamen Wandel betroffen. Es gibt aber nicht nur schwarz und weiß, sondern Grautöne, sowohl körperlich wie auch seelisch/geistig. Im Englischen existieren dafür schön die zwei Begriffe "sex" und "gender". Menschen existieren bzgl. beidem in einer großen Bandbreite, und auf dem großen Markt der Partnersuche findet dann doch meistens jeder Topf einen Deckel. In jedem Mann gibt es auch Weibliches, und umgekehrt. Wer beide Seiten in sich und anderen ehren kann, reift zu einer ingesamt integrierten Persöhnlichkeit.
Gerade mal vor zwei Generationen haben unsere Mütter/Omas sich das Recht erkämpft, neben Röcken/Kleidern auch Hosen gesellschaftlich akzeptiert tragen zu dürfen. Anfänglich noch wurden "Frauen in Hosen" von der Arbeit heimgeschickt mit der Vorgabe, sich was "Ordentliches" anzuziehen. Und Mitte der 70er Jahre betrat die erste Grünen-Politikerin in Hose das Rednerpult im Bundestag... und wurde ausgebuht (aber nicht wegen ihrer Rede).
Es wäre nun so einfach, heute zu argumentieren und zu hoffen, dass es ja im Grunde das Gleiche sei, wenn Männer genauso gesellschaftlich akzeptiert Röcke, Strumpfhosen und HighHeels tragen "dürften"... bzw. ein Wandel in der "Bedeutungsgebung" an der Zeit wäre. Leider steht dem eines entgegen: Ein ganz tief in unseren Köpfen vergrabenes Wertesystem.
In diesem System gilt immer noch bei beiden Geschlechtern folgendes Gefälle: Männliches gilt als besser/wertvoller/überlegener als Weibliches. Solange wir genau daran festhalten haben wir in allen solchen Themen nicht wirkliche Gleichberechtigung und Gleichstellung!
Als damals die ersten Frauen begannen, "Männerhosen" anzuziehen... taten es rasch und zunehmend immer mehr Frauen... solange, bis das nichts Besonderes mehr war. Dies ist nur damit zu erklären, dass sich eine Frau durch Aneignung von etwas (vermeintlich) Männlichem aufwertet... und zwar in den Augen beiderlei Geschlechts. Die meisten Männer haben das damals wie heute nicht wirklich gerne gesehen. Was mit Männlichkeit verknüpft wird, wirkte und wirkt bis heute auf Frauen magisch anziehend im Sinne von: "Will ich auch (sein oder haben)!
Warum gibt es bis heute so wenig Röcke, Strumpfhosen, HighHeels für Männer? Industrie und Handel hätten aus wirtschaftlichen Gründen (Profit) längst reagiert... doch der Markt gibt das nicht her, d.h. die Nachfrage ist zu gering. Dies ist nur damit zu erklären, dass die meisten Männer und Frauen heutztage immer noch Weibliches unbewusst abwerten. Ein Mann, der sich also (vermeintlich) mit Weiblichkeit Verknüpftes aneignet... wertet sich ab... und zwar wiederum in den Augen beiderlei Geschlechts: Er wird als "lächerlich" empfunden mit dem Ergebnis, das Männer und Frauen sich zumeist abgestoßen fühlen und sagen: "Will ich nicht (sein oder haben)!"
Männer und Frauen, die immer noch genau so ticken, sind sich bis heute zumeist NICHT dieser unglaublich stark wirkenden und hartnäckigen Werturteile bewusst. Zu lernen, dies anders zu sehen, eine andere Haltung zu erlangen, wäre der erste wirkliche Schritt in Richtung Gleichberechtigung und Gleichstellung... nicht nur in punkto Kleidung. Und obwohl ich diese Zeilen hier ja selbst schreibe, bin auch ich davon noch nicht ganz frei... mir aber zumindest häufiger dieser Mechanismen bewusst.
Abschließend noch eines: Ich plädiere keineswegs für eine immer weiter fortschreitende Angleichung zwischen allem Männlichem und Weiblichem. Schließlich ist der Reiz der Unterschiedlichkeit ja wesentlicher Motor für gegengeschlechtliche Attraktivität. Sähen alle Menschen gleich aus sowohl in ihrer Körperlichkeit wie auch mit ihrem Verhalten... so würde das wohl eher bald langweilig werden. Eine grundsätzliche Verschiedenheit sollte (und wird deshalb wohl) bleiben. Aber die gesellschaftliche Akzeptanz und Achtung sollte gegenüber Weiblichem und Männlichem gleich ausgeprägt sein. Dann wäre z.B. auch der "Mann im Rock und Strumpfhose" zusammen mit seiner "Frau in Hose und Socken"... nicht nur völlig unspektakulär... sondern gleichrangig... und ganz normal. Oh wie schön wäre das!
Peter (50)