Ich bin ein bisexueller Mann
...daher weiß ich worüber ich schreibe.
Auch ich habe vor zwei Jahren meiner damaligen Freundin eröffnet, daß ich bisexuell bin und das nachdem wir bereits 4 Jahre zusammen waren. Ich empfand es damals als notwendig, da ich bemerkte, daß dieses Bedürfnis/ dieser Drang immer stärker wurde. Ich hatte ihn bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgelebt, abgesehen von einem kurzen Abenteuer einige Jahre vor unserer Beziehung.
Auch für meine Freundin brach eine Welt zusammen, da ich ihr plötzlich wie ein anderer Mensch erschien, von einem Tag auf den anderen.
Sie fragte mich, warum ich ihr das alles nicht von Anfang an mitgeteilt hatte.
Unsere Beziehung und alles, was sich zwischen uns ereignet hatte, begann ihr wie eine Lüge vorzukommen. Als wir uns kennenlernten, trat dieser Aspekt meiner Persönlichkeit nur in Form von Phantasien in den Vordergrund, denen ich von Zeit zu Zeit fröhnte. Ich betrachtete Bilder im Netz, las hin und wieder Kontaktanzeigen und befriedigte mich tagträumend.
Hätte ich ihr das mitteilen sollen?
Ungefähr zwei Monate nachdem ich meiner Freundin mein Innenleben offen gelegt hatte, traf ich mich das erste Mal mit einem anderen Mann. Ich unterhielt später über Monate hinweg eine Freundschaft zu ihm und traf ihn regelmäßig (einmal pro Woche). Leider bemerkte ich erst sehr spät, wie sehr ihr diese zweite Beziehung zu schaffen machte. Ich nahm schließlich Abschied von dem Mann, was ihm sehr weh tat. Ich kümmerte mich ausschließlich um meine Freundin. Doch das Bedürfnis nach einem Mann begann wieder zu wachsen. Ein halbes Jahr später hatte ich ein einmaliges Treffen mit einem Mann. Ein halbes Jahr darauf erneut. Mittlerweile ist ein Jahr vergangen und ich habe schon wieder große Sehnsucht.
Es ist nichts, was man unterdrücken könnte oder sollte. Es ist ebensowenig therapierbar wie Heterosexualität oder grüne Augen.
Das, was ein bisexueller Mann am meisten benötigt, ist ein verständnisvoller Partner. Wenn man mit diesem Bedürfnis des anderen nicht zurechtkommt, sollte man sich vielleicht fragen, ob es nicht leichter wäre, loszulassen und getrennte Lebenswege einzuschlagen.
Meine Freundin und ich sind nun, zwei Jahre nach meinem Bekenntnis, noch immer zusammen. Sie hat erkannt, daß sie die wichtigste Person in meinem Leben darstellt und bei mir vor allen/m anderen kommt.
Ich muß allerdings dazusagen, daß ich sie weder belogen noch etwas hinter ihrem Rücken gemacht habe. Ich war manchmal vielleicht sogar zu ehrlich und habe ihr Dinge mitgeteilt, die sie im ersten Moment vielleicht sogar verletzt haben. Aber all das hat dazubeigetragen, daß sie gelernt hat mit der neuen Situation umzugehen. Sie weiß, daß sie sich auf mich verlassen kann.
Ich bin ihr mehr als dankbar für ihren Mut und ihre Mühe. Alles hat uns letztendlich noch fester zusammengeschweißt.
Ich hoffe diese Schilderung meiner persönlichen Erfahrungen kann ein wenig zum Verständnis des bisexuellen Mannes beitragen.
Liebe Grüße
Christian