Sind Strumpfhosen unmännlich?
Wenn Männer Strumpfhosen tragen, dann doch i.d.R. eher als Fetisch denn als praktisches Kleidungsstück, wobei die Nähe zur Weiblichkeit und das unterbewusst Verbotene die entscheidende Rolle spielen.
Fragt sich, warum dies so ist und was ein im Grunde doch recht harmloses Kleidungsstück in diesen Kontext stellt bzw. derart unmännlich erscheinen lässt, dass es anscheinend nur noch von Frauen, Transen und Fetischisten getragen werden kann.
Ursprünglich - ebenso wie hochhackige Schuhe (Pumps) - als praktische Reiterkleidung vorzugsweise von Männern getragen, hat sich ein solcher Praxisbezug im Laufe der technischen Entwicklung natürlich verloren.
Auch das pfauenhafte Auftreten des Adels in "Hotpants", Strumpfhosen und "Pumps" wie es zur Zeit Ludwigs XIV. en vogue war, ist spätestens seit der französischen Revolution out - in diesem Zusammenhang schon deshalb, weil man sich vom nichtsnutzen Adel abheben wollte und andernfalls schlichtweg Gefahr lief, im wahrsten Sinne des Wortes seinen Kopf zu verlieren.
Doch steht dies dem grundsätzlichen Nutzen der Strumpfhose für beide Geschlechter aus heutiger Sicht wohl kaum noch entgegen.
Als Winterunterwäsche getragen sind Strumpfhosen weitaus praktischer als jede andere lange Unterhose, da sie das Bein komplett abschließen, keine Übergangszonen bilden und unschöne Wulste unter der Hose bzw. auch Druckstellen im Stiefel ausschließen. Gerade bei Venenleiden, Thrombosegefahr, Diabetes und anderen Krankheiten zeigen sich entscheidende Vorteile.
Aber auch als Wohlfühlkleidung für zu Hause ist die Strumpfhose kaum zu schlagen und weitaus bequemer als jede zum Goldkettchen getragene Jogginghose.
Als Alltagskleidung offen getragen, würde Mann sicherlich zunächst noch Aufsehen erregen - genauso wie vor Jahren noch Leute mit blauen Haaren oder - ein halbes Jahrhundert zurückgerechnet - Frauen in Hosen. Aber auch daran hat man sich gewöhnt.
Ausschlaggebend wäre sicherlich weniger der Umstand, dass Strumpfhosen heutzutage noch mit einem eher weiblichen Attribut behaftet sind (das kann sich sehr schnell ändern) denn die Nähe zur sexuellen Attraktivität, die in dieser Form selbst für manche Frau unangenehm ist. Schließlich ist ein feinbestrumpftes Bein auch immer ein Hingucker und animiert geradezu - leider häufig auch die Falschen - zu fleischlicher Begierde. Und wer will schon ständig das Sexualobjekt anderer sein ?
Andererseits feierten Strumpfhosen neueren Studien zufolge gerade in Zeiten abnehmender Population - sei es durch Krieg, Pest oder Hungersnot - ihre Hochzeiten und wirkten am Manne - historisch betrachtet - anscheinend auch auf Frauen sehr anziehend.
Dass dies heute nicht mehr so ist und viele Frauen Männer in Strumpfhosen als unmännlich ablehnen, hat insoweit wohl weniger mit dem Kleidungsstück als solchem denn mit der klischeehaften Sichtweise auf jene Männer, die Strumpfhosen tragen, zu tun. Es scheint dies eine Sache zu sein, die sich alleine im Kopf abspielt.
Aber warum ist das so? - Was lässt ausgerechnet die Strumpfhose so unmännlich erscheinen ?
Wir finden dieses Phänomen kaum irgendwo anders als in unserer modernen Gesellschaft. Bei Naturvölkern gibt es eine solche Differenzierung nicht. In Griechenland werden Strumpfhosen auch heute noch von der Nationalgarde getragen und bei historischen Festivitäten (Karneval, Ritterfeste...) käme wohl kaum einer auf die Idee, Männer in Strumpfhosen als unmännlich zu bezeichnen. - Ebensowenig, wenn wir Bilder aus früheren Zeiten betrachten. Ja, selbst
Superhelden werden regelmäßig in Strumpfhosen dargestellt, ohne dadurch auch nur einen Deut ihrer Männlichkeit einzubüßen.
Und doch gilt die Strumpfhose als unmännlich.
Wie widersprüchlich dies ist, zeigt sich bereits in ihrer bloßen Bezeichnung. Balletttänzer in Strumpfhosen gelten gemeinhin als schwul, Radfahrer und Jogger in "Tights" (engl. für Strumpfhose) aber als athletisch. Werden lange Unterhosen als Herren-Leggings oder besser noch als Funktionsunterwäsche angeboten, sind sie ohne Weiteres auch für den Mann tragbar. Würde man sie - wie es früher üblich war - als Strumpfhosen ohne Fuß bezeichnen, würde jeder "normale Mann" einen weiten Bogen darum machen. - Ist das normal ?
Alleine der Umstand, dass eine lange Unterhose als Strumpfhose bezeichnet und vielleicht sogar noch mit einer Socke kombiniert wird, macht ein Kleidungsstück doch nicht unmännlich.
Aus meiner Sicht sind es doch eher tief verwurzelte Neurosen in den Köpfen der Menschen...