Liebe Scientist
Mal so von Informatiker zu Physikerin:
Ich hab das hier jetzt ein paar Tage verfolgt und sehe, in welcher Hölle Du jetzt schon steckst. Deshalb von meiner Seite keine "Predigt", obwohl es gute ethische (für mich: christliche) Gründe gegen die Abtreibung, die jetzt geplant ist, gäbe.
Da Du Naturwissenschaftlerin bist und ich daher vermute, dass Du sehr gut nüchtern und logisch denken kannst, will ich Dir etwas anderes mitgeben:
Keiner Deiner Verwandten, nicht Deine Eltern, auch nicht Dein (aller Voraussicht nach bald Ex-) Freund, will und wird Verantwortung für Dein werdendes Leben übernehmen. Es ist für sie ein "Störfaktor", für die Finanzen, für Dein Studium, für Deine vermutliche Karriere, für den Familienfrieden - und wie auch in Deinem Fragepost anklang, irgendwie deswegen auch für Dich ("es war doch bis zum Master alles so gut geplant").
Auch wir, die wir Dir jetzt unisono so gut zureden, das Kind doch zu behalten, werden Dir außer moralischer Unterstützung nur wenig geben können, was Dir wirklich helfen wird, wenn Du das Baby wirklich austragen solltest. Ein Baby bedeutet (neben all der Freude mit ihm) nun mal auch Arbeit, Lebensumstellung, Mehrkosten, weniger Freizeit, Verantwortung, usw.
Die Entscheidung, so hart es ist, verbleibt wirklich bei Dir allein, aber Du HAST auch diese Entscheidungsmöglichkeit! Kein anderer sollte und kann sie Dir weg- und für sich übernehmen! Es ist nun mal DEIN Leben und Du entscheidest für Dich (und gleichzeitig "stellvertretend" für den kleinen Menschen in Dir drin).
Aber (!!!):
So wie Du in Deiner Familie/Freundeskreis da stehst, wird Dir auch niemand helfen, wenn Du jetzt abtreibst, und voraussichtlich spätestens in ein paar Monaten in eine schwere Depression fällst, Schuldgefühle Dich plagen werden, und Du dennoch immer noch brav Deinen Job ausüben und Dein Studium vorantreiben willst (sollst?). Deiner Familie ist Dein innerer Kampf anscheinend ziemlich wurscht; sie nehmen wenig Rücksicht auf Deine Gefühle. Ob sich das in Zukunft wesentlich ändern wird? Für sie wird das Problem mit der Durchführung der Abtreibung erledigt sein; ihr Leben bleibt ja weiterhin "unbeschwert".
Aber niemand wird es Dir ersparen, wenn Du später im Freundeskreis oder auf der Straße irgendwann ein kleines Kind siehst und Dir denkst "so alt wäre auch meine kleine Grapefruit jetzt - ungefähr zu dieser Zeit hätte sie auch krabbeln, laufen, sprechen etc. gelernt..." - und Du dabei vielleicht in Tränen ausbrichst. Niemand wird für Dich antworten, wenn Deine späteren Kinder, die Du hoffentlich mal haben wirst, Dich fragen, warum Du ihr erstes Geschwister denn nicht leben lassen wolltest. Du wirst immer mit dem Wissen leben müssen, dass sich Dein Freund gegen Euer gemeinsames Kind entschieden hat. Oder stell es Dir andersherum vor: Dein Kind wird geboren, es wächst heran, Du schaust ihm irgendwann in die lieben Augen und sagst ihm: ich hätte Dich vor x Jahren beinahe getötet, weil Du ein Störfaktor in meinem Leben warst. Du wärst heute nicht da; ich würde Dich nicht mal vermissen..." - Seltsam, oder?
Wir haben auch einige Male im Bekanntenkreis bei scheinbar aussichtslosen Situationen (z.B. Vater im Knast, Mutter nur Sozialhilfe usw.) werdende Mütter dazu überredet, ihr Kind nicht abzutreiben. Alle sind heute dankbar für diese Entscheidung. Es gibt auch genug Unterstützung durch soziale Einrichtungen, damit Du nicht ganz hilflos dastehst.
Du durchlebst momentan die Hölle, und es tut mir wirklich Leid für Dich. Aber eine Abtreibung könnte es noch schlimmer machen. Tu Dir das bitte nicht an.
Alles Liebe und viel Kraft Dir,
marsupi