Schwul, Muslim und verheiratet

Hallo Leute! Ich will hier meine Situation erläutern mit der Hoffnung, dass jemand wie in meiner Situation mir helfen kann.
Ich bin 30 J alt, geb. in der Türkei als Muslim und seit 8 Jahren hier in Deutschland. Ich war schon als Jugendliche anders, hatte keine Freundin gehabt bzw. keine interesse an Mädels. Als ich in Deutschland ankam, habe ich damit angefangen mit Jungs zu treffen, um es auszuprobieren. Einerseits hatte es mir gefallen aber andererseits habe ich immer bereut. So ging es eine Weile. Ich dachte immer: das ist nur so ein sexuelles Bedürfnis und ist falsch, wird aber nicht lange dauern, wenn ich eine Frau heirate, werde ich damit aufhören. Aufgrund meines Glaubens und meiner kulturellen Hintergründen fand ich es falsch mit Jungs sex zu haben. Deswegen wollte ich eine Frau heiraten und damit aufhören. Die richtige Frau habe ich vor ca 4 Jahren gefunden und geheiratet. Von da an habe ich mit Dates mit Jungs aufgehört. Dann wurde meine Frau schwanger und wir haben Zwillinge bekommen. Das ist alles super. Aber irgendwie war das alles nicht so ok. Ich konnte mit den schwulen Gedanken nicht aufhören. Und endlich als meine Frau mit Kindern in die Heimat zum Urlaub ging, habe ich wieder mit Jungs getroffen. Das war wieder so wie früher, am Anfang schön dann bereuen. Aber dann habe ich jemanden getroffen, mit dem ich nicht nur sex hatte sondern verschiedenes gemacht habe. Ein Treffen hat dem anderen gefolgt, wir haben Filme gesehen, zusammen gegessen, längere Gespräche geführt, sind ins Theater gegangen usw. wir konnten über alles reden. Mittlerweile weiß ich es dass ich mich in ihn verliebt war/bin. Ich konnte es aber nicht mehr geheim halten und habe ihm alles über mich erzählt. Wir beide waren total traurig. Es war sehr hart aber wir mussten die (kurze) Beziehung beenden, bevor meine Familie zurückkehrte. Ich war zerstört, total kaputt. Das war für mich psychisch sehr schwer und vor allem das sollte ich meiner Familie nicht zeigen.
Ich hatte eine schwere Zeit, hatte Suizidgedanken seitdem gehe ich zum Psychologen. Die antidepressiva nehme ich nicht mehr ein. Und jetzt lebe ich so weiter. Es tut weh und ist schwer diese Last zu tragen. Ich weiß nicht wie lange ich noch durchhalten kann. Ich kann nicht so weiter leben aber ich kann auch nicht outen. Die Konsequenzen, die meine Familie und ich tragen würden, sind sehr schwer. Das kann ich meiner Familie nicht tun.
Ist jemand in so einer Lage wie ich?
Kann mir vielleicht einen Rat geben?

Antworten (12)
Andersherum

Hallo Cem
Ich bin in einer ähnlichen Situation, nur auf der anderen Seite.
Meine Frau ist zwar Christin, aber auch aus einem Land, in dem Homosexualität verpönt ist. Nach längerer Zeit der Ungewissheit, warum einiges in unserer Liebe nicht so klappt, wie ich es erhofft hatte, habe ich vor etwa einem Monat (von jemand anders) erfahren, dass sie eine lesbische Beziehung hat. Ich habe das Thema noch nicht mit ihr besprochen, denn es ist verflixt kompliziert. Wir können nicht einfach so auseinander gehen, weil darunter meine beiden Stiefkinder, zu denen ich eine liebevolle Vater-Kind-Beziehung habe, leiden würden, insbesondere auch, weil ihre Freundin mich nicht ersetzen kann und es auch nicht will. Ich kann das nicht einfach hinnehmen, denn ich fühle mich misachtet.
Ich bin selber am knusten, wie man das löst.
Für mich wäre es einfacher gewesen, hätte meine Frau mit mir über ihre Neigung gesprochen, ohne eine Beziehung einzugehen. Vielleicht hätten wir dann trotzdem irgendeine Form des Zusammenlebens in der Liebe gefunden, die uns beiden gerecht wird. Jetzt hat die Liebe einen gehörigen Knacks bekommen.
Ich weiss nicht, wie es um die Liebe in eurer Ehe bestellt ist. Wenn ihr einander liebt, und du keine schwule partnerschaftliche Beziehung pflegst, gäbe es eventuell noch einen Weg;
da deine Frau, wenn ich das richtig verstanden habe, auch aus der Türkei kommt, ist der ziemlich steil, aber vielleicht doch gangbar:
Du erzählst *ihr*, dass du solche Gefühle hast, und sie früher auch ausgelebt hast, aber jetz nicht auslebst, weil du sie und eine Familie hast. Dann musst du das ein Jahr lang auch so tun. Dann schau, was möglich ist.

Schwul, Muslim und verheiratet

Auch ich sage Ja zum Leben, auch wenn die Kurve mal gerade unten ist. Ansonsten sage ich es mit Ludwig Feuerbach, der einmal geschrieben hat, dass Gebete "Gespräche des Menschen mit sich selbst" seien. Und dann gibt es da noch eine Strophe eines Kirchenliedes, die wie folgt beginnt: "Wer nur den lieben Gott lässt walten, der....". Lieber Cem, "Hilf dir selber, hilft dir Gott!" Ich wünsche dir ganz viel Kraft und eine gute Zukunft!

Nie aufgeben

Hallo Cem, ich kenne das auch mit dem Beten. Wenn ich in einer schwierigen Lage bin, fällt es mir schwer Gott zu sagen, es soll alles nach seinem Willen gehen. Gar nicht so leicht. Dass du dich für das Leben entschieden hast, ist klasse. Gerade auch für deine Kinder. Die könnten nicht verstehen, warum du gegangen bist und würden sich am Ende noch die Schuld geben. Halte auf jeden Fall an Gott fest und lass dich nicht von ihm wegtreiben, auch nicht in den schwierigen Zeiten. Gib niemals auf, es gibt einen guten Weg. Alles Gute dir.

Hallo! Vielen Dank an alle, die für mich Ratschläge machen. Ich besuche schon seit Monaten einen Psychologen, da mache ich Fortschritte. Glaubt mir es war viel schlimmer bei mir und jetzt geht s schon. Eine psychologische Hilfe tut mir gut, zumindest kann ich mit jemandem darüber reden. Ich werde mich noch über diese online Selbsthilfegruppe usw. informieren. Wir Müslime glauben auch daran, dass man vom Gott das beste für sich wünschen soll und nicht das was man unbedingt will. Das weiß ich und so habe ich bis vor einem Jahr gebetet. Aber jetzt nach allem was ich erlebt habe ist es nicht mehr so einfach.
Wie gesagt mir geht s viel besser als vor Monaten. Trotzdem habe ich auch starke depressive Zeiten, wo ich mich mist fühle und mit dem Gott so rede wie es von mir rauskommt.
Ich muss stark bleiben und weiterleben. Es wird irgendwann die Zeit kommen wo ich mich entscheiden muss. In dem Moment muss ich bereit und reif sein um die richtige Entscheidung für mich und meine Familie zu treffen.

Kann ich verstehen

Hallo Cem, ich kann verstehen, dass du in deiner Situation ganz sicher gehen willst, dass du nicht geoutet wirst bevor du dazu bereit bist, sofern du dich überhaupt einmal entscheidest zum Outing. Was ich zunächst ganz stark betonen möchte ist, dass mir Gott wirklich schon sehr viel geholfen hat. Vielleicht ist das Gebet aber um Weisheit, Einsicht, den richtigen Rat und die gute Fügung eher angebracht als Gott zu sagen, was er jetzt tun soll. Ich glaube, er weiß das besser als wir, er sieht in jedes Herz und kennt jedes Herz am besten. Außerdem weiß er genau, was wir für Lebensaufgaben haben und wie jeder einzelne seine Aufgabe am besten lösen kann. (Darum beten wir Christen immer, dass Gottes Wille geschehen soll, nicht unser Wille.) Zu deiner Situation nochmal. Es gibt schon Beratung und Selbsthilfe für schwule Muslime. Maneo.de in Berlin bietet Beratung für Opfer von Zwangsverheiratung. Auf subonline.org findest du das schwule Kontakt- und Kulturzentrum, die Beratung für schwule Muslime anbieten und eine Selbsthilfegruppe gegründet haben. (siehe Artikel: Wenn du ein Ishq bist, komm.) In der Moschee von Seyran Ates findest du homosexuelle gläubige Muslime und Ansprechpartner. (siche youtube: Seyran Ates - Über Homosexuelle in der Moschee). Es gibt einige Möglichkeiten, aber ob es tatsächlich deine Aufgabe ist, dich zu outen und die Ehe mit deiner Frau zu beenden, oder ob du den Verzicht homosexuell zu leben als Opfer bringen sollst, das musst du herausfinden. Ich habe schwule Männer kennengelernt, die gerade im Alter sehr einsam waren und Kinder vermisst haben, aber auch Männer kennengelernt, die als Schwule offen gelebt haben und glücklich waren. Versuche wirklich um die Weisheit zu beten, eine gute Entscheidung zu treffen und Gottes Willen für dich zu tun. Das ist mein wichtigster Rat. Lass dich nicht auf die eine oder andere Seite ziehen, sondern triff die Entscheidung nach sauberer Abwägung. In anonymen Selbsthilfegruppen, die auch über das Internet aktiv sind (emotions anonymous und co-dependents anonymous) findest du Menschen, die alle auch Sorgen haben und sich im anonymen Gespräch über die Probleme und Lösungsmöglichkeiten austauschen - zwar mit Gottesbezug - aber nicht an eine Religion gebunden (kostenlos und keine Sekte). Vielleicht ist da auch jemand dabei, dem du mit der Zeit vertraust und Freundschaften beginnen kannst mit Menschen, die dich so annehmen als Freund, wie du bist. Ich meine, dass das für deine Seele ganz wichtig ist. Menschen, die dich nicht nur dann als Freund sehen und zu dir stehen, wenn du heterosexuell bist oder so tust als ob. Und sollten wieder düstere Gedanken kommen, scheue dich auch nicht Beratungsstellen anzurufen, die sich um Menschen mit Depressionen kümmern. Du musst dich nicht schämen. Dafür gibt es keinen Grund. Dein Leben ist kostbar. Wenn du willst, lass wieder von dir lesen. Alles Gute dir.

@Cem

Es gibt doch sicher in deiner stadt, oder in der nähe, psychologische beratungstellen. ich kann mir gut vorstellen das du dort professionelle hilfe bekommst, und das dich das weiterbringt als gut gemeinte ratschläge hier im forum. vielleicht wendest du dich als erstes an die verbraucherzentrale, die können dir sicher die entsprechenden adressen, bzw. ansprechpartner sagen.
ich wünsche dir viel glück!

@Cem:

Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber ich persönlich glaube nicht, dass du von Gott irgendetwas erwarten kannst. Ich drücke dir jedenfalls ganz fest beide Daumen und dass es dir eines Tages gelingen wird, die Situation in den Griff zu bekommen.

Noch mal vielen Dank dafür dass du dir Mühe und Zeit gibst für eine Antwort auf meine Anfrage. Ich schätze das sehr. Ich würde gerne deinem Rat folgen, Menschen kontaktieren, die in so einer Situation sind wie ich, die so was schon erlebt/erfahren haben. Eigentlich habe ich ja deswegen hier geschrieben. Ich dachte jemand würde sich melden und mir weiterhelfen zumindest mich verstehen.
Dass ich mir Zeit lasse, weiter lebe, mit Menschen Kontakte verknüpfe und die Erlebnisse/Erfahrungen austausche, klingt gut und ist bestimmt eine gute Idee. Das Problem ist dass ich dazu keine Gelegenheit hätte, weil ich weiterhin diskret und Ungeoutet bleiben werde. Ich möchte es nicht gefährden. Das Risiko kann ich nicht eingehen, bekannt zu werden. Und wie soll ich dann Kontakte mit solchen Menschen aufnehmen. Ich weiß es nicht. Es gibt solche Plattformen wo man sich anonym anmelden und Kontakt mit schwulen suchen kann. Aber da geht s leider meistens nur um sex bzw. Schnelldate.
Zu den Suizidgedanken: ja ich habe manchmal solche Gedanken. Ich will dass es einfach endet. Ich bete auch und zwar so; entweder soll der Gott diese Gedanken bzw. Neigung von mir rausnehmen oder mir zulassen dass ich es ausleben kann.

Gute Entscheidung

Hallo Cem, ich finde es gut, dass du dir schon mal Zeit nehmen willst für eine gute Entscheidung. Dass du über das Sterben nachdenkst ist natürlich nicht gut, da müssen andere Alternativen her. Vielleicht hilft es dir, wenn du dich mit Menschen befasst oder sie sogar kontaktierst, wie Seyran Ates, Necla Kelek, Sabatina James, Ahmad Mansour und anderen Menschen aus deinem Glauben, die andere Wege gehen, als es deren Familie wünscht. Vielleicht gibt es auch Selbsthilfegruppen für Menschen in deiner Lage. Gerade auch ältere Männer, schwul und schon mit mehr Lebenserfahrung. Männer die bei ihren Frauen geblieben sind und Männer, die gegangen sind. So, dass du einen Vergleich hast. Investiere deine Gedanken und Gebete ins finden einer Lösung, nicht in trübe Gedanken, die keinen weiter bringen. Dich nicht, deine Frau und deine Kinder nicht, deinen Freund nicht. Suche die gute Lösung, durch Kontakte zu Menschen, die in deiner oder einer ähnlichen Situation waren oder sind und schaue, wie sie das gemeistert haben, was es für Hilfen gibt, wo du Unterstützung herbekommst. Zeit lassen, Kontakte zu Menschen mit entsprechender Lebenserfahrung suchen, Fragen stellen, zuhören, beten darüber und aussortieren was für dich in Frage kommen würde und was nicht. Das Leben ist kostbar - auch dein Leben. Du bist kostbar und kannst noch viel Gutes tun. Achte also auf dich und suche eine gute Lösung. Wünsche dir nur das Beste.

Die Homosexualität oder die Neigung dazu wird einen ein Leben lang begleiten, auch wenn man sich wie du für eine Frau entschieden hat. Dieses Verdrängen ist ein ewiger Kampf, den m. E. nur ganz wenige gewinnen können. Tut mir Leid, dass ich dir dass so frontal vor den Kopp sagen muss, aber du befindest dich scheinbar in einer Stituation, die ich "Schrecken ohne Ende" nennen würde.

Hallo! Ich danke für deine Antwort und den Rat. In dem Fall dass ich mich für schwules Leben entscheide, wird es mit meiner Familie leider nicht so einfach sein wie du es hier beschrieben hast. Aufgrund unserer religiösen und kulturellen Hintergründen werde ich sogar von meinen Eltern verachtet allein deswegen weil ich mich von meiner Frau trenne(Selbst wenn ich meine homosexualität nicht bekannt geben würde). Dann wird es nicht möglich sein dass ich mit meiner Frau weiterhin in einer guten Beziehung/Freundschaft bleiben kann. Somit wird es genauso schwierig dass ich weiterhin als Vater für meine Kinder da sein werde.
Wenn ich mich aber dafür entscheiden würde, meine schwule Neigung zu ignorieren, auf schwules Leben zu verzichten und als Familienvater weiter zu leben, dann wird es praktisch einfacher weil einzige, der darunter leiden wird, wäre ich selbst. Da ich darin sehr gut bin, mein Leid/Depression/Kummer/Emotionen den anderen bzw. meiner Frau nicht zu zeigen, würde meine Familie das wenig spüren.
Das erscheint die bessere Lösung zu sein, nur ich muss es so hinnehmen und damit leben können. Genau das fällt mir gerade schwer. Manchmal denke ich dass ich am besten sterbe und damit mein Leid endet.
Ich werde mir auf jeden Fall Zeit lassen bis ich eine gesunde Entscheidung treffe.

Entscheidung

Egal wie du dich entscheidest - es wird Tränen geben. Aber an diesen Punkt kommen im Leben viele Menschen. Nicht nur dir passiert so etwas. Wichtig ist, dass du dir Zeit lässt eine gute und reife Entscheidung zu treffen. Lasse dich nicht unter Zeitdruck setzen, sondern entscheide dann, wenn die Zeit reif dafür ist. Wenn du dich für deine Familie entscheidest und dein homosexuelles Verlangen und die Liebe zu deinem Freund aufgibst, dann solltest du es aus tiefstem Herzen tun - als großes Geschenk für deine Familie. Wenn du dich für deinen Freund entscheidest, dann solltest du deiner Familie klar machen, warum es für dich nicht anders geht, denn du hast auch Verantwortung als Familienvater. Es muss dann klar sein, dass deine Frau zwar ihren Ehemann verliert, aber in dir (wenn sie es möchte) einen guten Freund gewinnt und du als Vater für deine Kinder weiterhin da bist. Frage dich, wo du mehr geben kannst. An der Seite deiner Frau, dann aber mit ganzem Herzen und Freude für sie und die Kinder. Oder an der Seite deines Freundes und dann aber auch mit Freude in der Freundschaft zu deiner Frau und als Vater deiner Kinder. Wo kannst du das, was du bist besser leben? Opfer müssen wir alle bringen, wir müssen uns alle für etwas entscheiden und das andere in Liebe aufgeben. Das ist wie gesagt normal. Wichtig ist zu begreifen wo unser Platz ist, wo können wir das, was wir sind am besten sein, mit Freude und gutem Herzen leben. Lass dir für deine Entscheidung Zeit und bete auch um die richtige Eingebung. Aber wenn du deine Entscheidung getroffen hast, dann steh dazu und trage die Konsequenzen als Geschenk für die Liebe. Ich wünsche dir alles Gute für deine Entscheidungsfindung.

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