Werde ich emotional erpresst durch Schuldgefühle?
Hallo,
ich bin 56 und meine Freundin 41. Ich bin geschieden, habe vier erwachsene Söhne, meine Freundin ist single und kinderlos, sie wollte auch nie wirklich welche, wie sie versichert. Wir führen eine Fernbeziehung, wollen aber doch irgendwann zusammenziehen. Dieses „Irgendwann“ schiebt sich durch permanente Streits jedoch im letzten Jahr immer wieder hinaus. Es vergehen keine 2 Tage, egal ob bei irgendeinem von uns beiden zuhause oder auf einem geplanten Kurztrip an wirklich schöne Orte, wo wir beide gerne sind (z. B. in den Bergen), ehe es wieder im Streit jäh endet und wir so auseinandergehen. Nach dem letzten Streit hat meine Freundin beschlossen, dass die Beziehung beendet ist.
Trotzdem hatten wir nach 8 Wochen „Funkstille“ wieder Kontakt und uns gemeinsam geeinigt, ein schönes Wochenende in den Bergen zu verbringen. Sie hat zwar wiederholt betont, dass wir gerade getrennt sind, wir haben uns aber darauf geeinigt, dass wir es unter dem Motto „uns beiden eine Chance auf Beziehung geben“ betrachten und beide mit der positiven Absicht fahren.
Schon bei der Planung und auch bei der Hinfahrt hat sie mir wiederholt versichert, dass sie jederzeit mit dem Zug alleine nach Hause fahren kann. Immer wieder hat sie mich daran erinnert, dass wir im Moment kein Paar sind.
Das erneute Zusammentreffen verlief sehr emotional. Wir haben uns gegenseitig zu verstehen gegeben, wie schön wir es finden und wie sehr wir uns auf dieses gemeinsame Wochenende freuen.
Schon am ersten Abend kam es wieder zu Vorwürfen ihrerseits, wie sehr ich sie doch verletzt hätte, wie unmöglich ich mich im letzten Jahr verhalten hätte und wie empört sogar ihre Eltern sind, weil es ihr so schlecht gegangen sei. Sie sei gespannt, wie sehr ich mich verändert hätte, sie merke nämlich bis jetzt gar nichts sondern ich zeige immer noch dieselbe Art.
Die Situation konnte aber an diesem Abend „beruhigt“ werden. In der Nacht plagten mich aber Gedanken, ob ich so überhaupt weitermachen wolle und nicht am nächsten Morgen den Trip wieder abbrechen sollte.
Der nächste Tag war aber mein Geburtstag und ich wurde mit einer unerwarteten aber umso schöneren Geburtstagsüberraschung, kleine Geschenke, kleine Torte mit Kerzen, etc., geweckt. Es war wieder sehr emotional und mit der gemeinsam ausgesprochenen Hoffnung auf Versöhnung und „gemeinsam schaffen“ verbunden.
Wir verbachten einen schönen Tag in den Bergen, an dem zwar immer wieder ein kleiner Konflikt aufzukeimen schien, wir aber immer wieder die Kurve kriegten und am Abend ein schönes, gemeinsames Essen genießen konnten.
Die Reibungen entstanden immer wieder aus meiner Sicht durch Kleinigkeiten, die sie an mir wiederholt kritisierte: ich hätte negative Züge von meinem Vater, mal passt ein Verhalten beim Essen nicht, mal wird kritisiert wie ich mich in einem Seminar mit mir und meiner Persönlichkeit auseinandersetze, mal stinkt ein Sport-T-Shirt, mal mache ich das falsch, mal jenes. Ich habe gelernt, ruhig und sachlich zu bleiben, zu hinterfragen und Verständnis zu zeigen. Und mich entsprechend anzupassen und zu verhalten um nur ja keinen Ärger aufkeimen zu lassen.
Der nächste wunderschöne Tag verlief anfangs gut. Wir planten gemeinsam eine Bergtour. Ich musste mich angesichts ihres wiederholt ungeduldigen Verhaltens zwar immer wieder zusammennehmen, ruhig zu bleiben und den richtigen Ton zu wählen, aber wir schafften die Tour bis fast zu Ende.
Es galt noch ein schwieriges und auch ein wenig gefährliches Wegstück zu überwinden. Ich versuchte ihr wiederholt einen Tipp zu geben, wie sie dieses Stück bewältigen soll, weil ich Sorge hatte, dass sie, so wie sie es angegangen war, eventuell stürzen und sich verletzen könnte. Da sie auf meinen Tipp nicht reagierte, wiederholte ich mit aus meiner Sicht ruhigem aber doch bestimmtem (ich war definitiv besorgt) Ton meinen Tipp.
Unterhalb des Wegstückes angekommen wurde ich sofort wieder damit konfrontiert, welchen Ton ich gewählt hätte und dass sich meine Art überhaupt nicht verändert habe. Ich habe mich entschuldigt, wenn der Ton so rübergekommen ist, dass er keinesfalls böse ö. ä. gemeint war, sondern dass ich schlichtweg besorgt war.
Weder meine Entschuldigung noch der Versuch zu schlichten und die Bitte doch den bisher wunderschönen Tag, das gemeinsame, intensive und ebenso schöne Erlebnis gut ausklingen zu lassen wurden akzeptiert. Versuche zu schildern, wie es mir in der Situation geht, wurden „milde belächelt“ und immer wieder auf meiner unmöglichen Art, gerade eben und in der Vergangenheit herumgeritten.
Nach der restlichen kurzen Wanderung bis zum Auto galt es zu entscheiden, wie der Abend verlaufen soll. Ich wurde immer wieder mit teilweise alten Vorwürfen konfrontiert. Und ich setzte mich durchaus auch entschieden zur Wehr. Ich wollte das Gespräch auf ein WIR bringen, konnte zwar den einen oder anderen Vorwurf annehmen und mich wiederholt entschuldigen, akzeptierte aber kein pauschales „DU bist schuld“ oder „wenn DU DICH so oder so verhältst, dann …“
Ich fühle mich ständig kritisiert, nicht wertgeschätzt und mit der alleinigen Schuld für die Situation beladen.
Ich habe nach mehrmaligen vergeblichen und immer nach demselben Muster (DU!) abgelaufenen Schlichtungsversuchen schlussendlich den Kurztrip abrupt abgebrochen.
Werde ich durch Schuldgefühle emotional erpresst?