Kommt drauf an
Also gerade wenn es dir ums Thema Verteidigung geht, solltest du wissen, dass man Kampfsport, Kampfkunst und Selbstverteidigung unterscheidet, wenn man von Kampfsystemen redet.
Kampfsport macht man unter sportlichen Aspekten. Man misst sich mit Anderen im Wettbewerb und guckt, wer der Bessere ist. Dabei gibt es zum Schutz des Gegners gewisse Regeln, die man nicht übertreten sollte, wie keine Tiefschläge beim Boxen, das saubere Ausführen von Hebeln beim Judo, ... Die Straße kennt aber keine Regeln, daher würden dich Regeln an einer effektiven Verteidigung hindern. Zudem kommen Präventions- und Deeskalationsübungen häufig zu kurz.
Eine Kampfkunst ist ein Jahrtausende altes traditionelles System, das auf Verteidigung, gar auf Angriff und je nachdem noch auf noch viel tiefgreifendere Dinge wie Gesundheit und Selbststärkung ausgelegt war und die Shaolin (Kung Fu) in China und die Samurai (Jiu Jitsu) und Ninja (Ninjutsu - wobei im größten Ninjutsu-Verband Bujinkan eine Kombination aus Ninja- und Samurai-Techniken gelehrt wird) in Japan sicher durch ihre Kriege führen sollte. Es gibt keine Regeln, beim Sparring für Fortgeschrittene ist Schutzkleidung nötig und die Techniken setzen an jeder Ecke an, besonders gern dort, wo es wehtut. Allerdings sind die Techniken recht komplex und langsam und schwierig zu erlernen, nach ein paar Jahren Training gibt es aber nichts besseres mehr, da man sich gegen jede Form von Angriff mit jeder Form von Konter effektiv verteidigen kann, man ist auf alles vorbereitet. Bei traditionellem Kung Fu / Wushu im Samurai-Stil kommen auch gesundheitliche Aspekte der traditionellen chinesischen Medizin (da sie häufig auf Nervenpunkte setzt, kann sie zum Heilen und zum Kämpfen gleichermaßen verwendet werden, der richtige Nervenpunkt kann gedrückt böse wehtun oder gar zu Lähmungen führen) und Tai Chi und Qi Gong zum Tragen. Ein vereinfachtes Kung Fu, das rein kampffokussiert ist, ist Wing Tsun. Ein verdammt gutes System, da es vereinfacht ist, aber es ist nicht immer leicht, eine seriöse Schule zu finden. Während große Verbände wie Bujinkan und Genbukan im Ninjutsu ein Qualitätssiegel sind, sind große Verbände wie die EWTO im Wing Tsun eher ein Zeichen für Abzocke und schlechten Unterricht (der EWTO-Vorsitzende Keith Kernspecht trägt in Wing Tsun Kreisen auch den Spitznamen Lernschlecht). Viele Lehrer sind enttäuscht, gründen ihre eigenen Verbände, haben aber immer nur abzocken aber nicht kämpfen gelernt und deshalb gibt es in Deutschland mittlerweile fast mehr Wing Tsun Verbände als Schulen, die meisten davon völlig untauglich, aber wenn du einen seriösen, fähigen Trainer (und somit die Nadel im Heuhaufen) findest, ein ziemlich geniales System gerade zur Selbstverteidigung.
Nachdem ich jetzt viel über andere Systeme erzählt habe, auch, um dir ein wenig die Unterschiede über Kampfsport und Kampfkunst klarzumachen, zurück zum Tae Kwon Do. Es gibt nicht "Das eine Tae Kwon Do", sondern verschiedene Untersysteme. Die einen verstehen sich eher als Kampfsport und tragen Wettbewerbe aus, die anderen verstehen sich als Kampfkunst. Wenn du wirklich Schiss hast, du könntest Opfer eines Überfalles werden, mach definitiv das Kampfkunst Tae Kwon Do ohne Wettbewerbe, achte aber auch drauf, dass nicht nur Kämpfen gelehrt wird, sondern auch Prävention und Deeskalation, denn am Besten ist es immer noch, es in direkter Konfrontation garnicht zu einem Kampf kommen zu lassen. Mir persönlcih ist Tae Kwon Do aber zu fixiert auf die hohen Tritte, die zwar cool aussehen, aber nicht unbedingt immer zielführend sind (ganz im Gegenteil, wenn jemand weiß, wie man sowas blockt, packt er dich am Bein und schon liegst du)
Was es noch gibt, sind Selbstverteidigungssysteme. Das sind recht junge Systeme, die sich häufig aus alten Kampfkunstsystemen ableiten. Das bekannteste System dieser noch recht unbekannten Sparte ist Krav Maga, eine israelische Selbstverteidigung, die von Imi Lichtenfeld während des zweiten Weltkriegs auf der Flucht vor den Nazis entwickelt wurde. Lichtenfeld hatte schon verschiedene Kampfsport- und Kampfkunstsysteme gelernt, darunter Jiu Jitsu, Kickboxen und Ringen, von denen er jeweils Grundelemente, so vereinfacht, dass sie schnell aus Reflexen und Instinkten heraus angewendet werden können, statt groß nachzudenken, übernahm. Daher ist das System besonders schnell zu erlernen und trotzdem hoch wirkungsvoll. Ähnlich ist z.B. auch das russische Systema.
Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, überhaupt irgendwas zu machen, aber bevor du dich nun voller Panik auf irgendeinen wahllosen Kampfsport stürzt, mach lieber erst mal ein paar Probetrainings in verschiedenen Systemen, die in deiner Nähe angeboten werden und entscheide dann daraus, was du am einfachsten erlernen kannst und womit du dich besonders sicher fühlst. Vor dem Hintergrund einer akuten Bedrohung würde ich dir am Ehesten Krav Maga empfehlen, wenn du es in deiner Gegend lernen kannst. Ansonsten die japanischen Systeme wie Jiu Jitsu und (du ahnst es sicher schon von meinem Namen her) Ninjutsu alias Bujinkan Budo Taijutsu. Kung Fu ist auch eine sehr gute Selbstverteidigung, aber viel zu langwierig zu erlernen, da man ja auch das Ganzheitliche mit den gesundheitlichen Aspekten lernt. Wenn es Tae Kwon Do werden soll, auch gut, aber achte drauf, dass es nicht mit Focus auf Wettbewerbe unterrichtet wird, sondern auf Selbstverteidigung.