Nur Asperger oder noch mehr?

Über die Arbeit habe ich einen Asperger-Autisten (26) kennengelernt, dessen Verhalten ziemlich verwirrend ist. Er ist freundlich und hilfsbereit und kann manchmal sehr kommunikativ sein. Sein Verhalten ist aber auch häufig widersprüchlich, weil er seine Meinung zu bestimmten Themen ändert oder gemachte Aussagen plötzlich zurücknimmt, was bei einigen Mitarbeitern schon zu Missverständnissen und Problemen geführt hat. Manche Arbeitsleistungen sind geradezu erstaunlich detailliert. Es wirkt häufig sehr perfektionistisch. Gleichzeitig ist die Arbeit dann aber auch in einigen Punkten ungenau und oberflächlich. Ich weiß nicht, ob er dann keine Lust hat oder einfach Probleme mit dem Kontext hat und größere Zusammenhänge und Verbindungen nicht erkennt. Ich erlebe ihn als relativ humorvoll. Er macht gerne Witze (vor allem Wortspielereien, zweideutige Kommentare und Sarkasmus). Es ist aber nicht immer klar, ob er nun gerade einen Witz macht oder etwas Ernst meint. Manchmal ist der Humor so schräg, dass es auch versteckte Kritik oder eine Beleidigung sein könnte. Sein Verhalten wirkt manchmal so, als wollte er andere manipulieren, mit ihnen spielen oder sich über sie lustig machen. Wenn man nachfragt, sagt er immer, es wäre ein Witz gewesen oder er hätte das anders gemeint. Einerseits sucht er gezielt den Kontakt mit anderen, andererseits hält er Menschen auch gezielt auf Abstand und erzählt nur wenig über sein Leben. Machmal spricht er dann aber doch über relativ persönliche Dinge und man merkt, dass offenbar auch eine große Unsicherheit und Angst vor Menschen in ihm liegt. Er wirkt dann traurig und verletzlich. Ich denke, er ist sehr misstrauisch gegenüber anderen. Manchmal wirkt er aber auch so unnahbar, dass man denkt, ihm ist vieles einfach egal. Gefühle oder Absichten lasen sich bei ihm nur schwer ablesen.
Ich frage mich, ob diese Eigenschaften typisch für das Asperger-Syndrom sind, oder ob vielleicht noch eine weitere Erkrankung (z.B. Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung, AD(H)S) dazu kommt. Denn manchmal wirkt es so, als wäre er in einer Situation ein bestimmter Mensch und in einer anderen Situation ein ganz anderer. Wie ich beobachtet habe, verhält er sich auch auf der Arbeit deutlich anders als bei seinen Freunden oder seiner Partnerin. Meistens ist mein Kollege sehr nett. Weil er sich so eigenartig verhält, weiß ich aber nicht genau, wie ich mit ihm umgehen soll oder ob es Sinn macht einen engeren Kontakt aufzubauen.

Antworten (2)

Danke für Deine ausführliche Antwort!
Das hat mir geholfen ein wenig besser zu verstehen, wie das Leben für meinen Kollegen eventuell sein könnte.
Wirklich schlau werde ich aus ihm leider immer noch nicht.
Aber vielleicht kommt das mit der Zeit noch.
Ich frage jetzt auf jeden Fall bei Unklarheiten immer nach. :)

Erfahrungswerte

Hallo, vielleicht ist dieser bericht ja noch nicht zu spät.
ich bin selbst autistin. ich kann dir sagen welche gründe bei mir hinter solchem verhalten stecken können (nicht müssen).
oft bin ich gestresst, wenn etwas schief läuft. wenn es zu laut ist, ich unter druck stehe (die ganzen überlegungen, wie ich mit den mitmenschen umgehen "muss", welche sozialen regeln gerade anzuwenden sind, wie die aussage gerade zu interpretieren ist usw...) sobald ich in inneren stress gerate, scheinen meine kompetenzen "zusammenzufallen". ich mache viel mehr fehler, verbeiße mich evtl. an "unwichtigen" dingen (struktur und perfektionismus für meine sicherheit, ggf. absicherung gegen fehler).
wenn ich gut drauf bin und ausgeglichen merkt man mir meine probleme manchmal nichtmal an. dann kann ich einen guten eindruck machen und zusagen oder versprechungen, die ich bei sinkendem energielevel oder anderem stress wieder zurückziehe.
manchmal stecken hinter "rückziehern" auch missverständnisse, da ich oder meine umwelt aneinander vorbeigeredet haben (das geht ziemlich schnell).
das mit z.b. dem gezielten manipulieren wird mir auch oft vorgeworfen. vor allem von menschen, die mich nicht kennen. das will ich definitiv nicht!!!! wenn etwas unklar ist, frag nach! lieber fünfmal fragen als missverständnisse. oft erklären sich dann die missverständnisse und ein scheinbar schräges verhalten erklärt sich (gerade bei solchen vorwürfen hat es zuminest bei mir was mit stresskompensation zu tun; dass ich in dem moment versuche irgendwie klarzukommen obwohl es schon zu viel ist (z.b. wenn einfach sehr viele menschen gleichzeitig reden und ich die wörter nichtmehr auseinanderhalten kann, auf meine bitten um mehr ruhe aber nicht umgesetzt werden (neutral gemeint))

bei mir sehr vertrauten freunden fühle ich mich natürlich auch viel sicherer als in arbeitssituationen. ich würde mal behaupten, dass auch nicht-autisten sich in solchem kontext anders verhalten. als autist muss man ständig angst haben, dass irgendwas schief läuft, man falsch verstanden wird oder fehler macht. gerade in der arbeitswelt wird man für sein anderssein schnell gekündigt. auch hat man als mensch mit autismus meistens schon sehr viele negative erfahrungen mit mitmenschen sammeln dürfen, die es auch wirklich nicht gut mit einem meinen. es ist schwer, die absichten anderer einzuschätzen- vor allem nach einem arbeitstag. dann ist der gutgemeinte "smalltalk" einfach zu viel (obwohl der wunsch vielleicht auch da ist).

ich hoffe das war nicht zu durcheinander und irgendwie hilfreich. alles gute. - immer schön nachfragen bei unklarheiten!!!

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