Ich bin mir sehr sicher, eine Schizophrenie zu entwickeln
Hallo,
kurz ein paar Rahmendaten zu mir: Ich heiße Richard und bin neunzehn Jahre alt, familiär und somit vererbungstechnisch mehrfach vorbelastet (meine Mutter hat seit 2004 die Diagnose paranoider Schizophrenie, mein Großvater zumindest unbehandelte depressive Phasen, mein Großcousin war sein ganzes Leben stark depressiv) und habe seit einigen Tagen den starken Gedanken, dass es mich nun auch erwischt.
Wie komme ich zu diesem drastischen Verdacht? Nun ja, zunächst sei gesagt, dass ich meine Mutter häufig in akutem Wahn erlebt habe und eine solche Vermutung deshalb sicher nicht leichtfertig ausspreche. Ich hatte seit dem Ende der Schulzeit, das war im Juli 2017, immer mal wieder mit kurzen Phasen des "Niedergeschlagensein" zu kämpfen, habe mir dabei aber zunächst nicht viel gedacht. Als es dann im Januar/Februar solangsam in Richtung starke Depression ging (ich war flächendeckend apathisch, einfachste Aufgaben haben mich überfordert und mir fehlt praktisch jede Erinnerung an diesen Zeitraum), wurde mir solangsam bewusst, dass sich das wohl nicht so einfach "einrenken" würde. Natürlich habe ich aber nichts unternommen, sondern habe lieber versucht, durch häufiges Trinken und Glücksspiel wegzuschieben, was ich für Probleme hatte. So weit, so schlecht. Das alles könnte man mit nüchternem Blick wohl auch als etwas verschärfte Sinnkrise eines jungen Menschen in seinen entscheidenden Jahren abtun. Aber seit einigen Tagen, ich glaube sogar es auf einen genauen Tag eingrenzen zu können, nämlich den 21.12.18, habe ich aber das Gefühl, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis ich in eine Psychose abdrifte.
"Gefühl" ist ohnehin das Stichwort - ich fühle mich nämlich eigentlich weder gut noch schlecht, sondern gar nicht. Weder kann ich meine Gefühlslage ergründen, noch die anderer Menschen. Ich kann zwar noch rational erfassen, was ich oder andere wohl in manchen Situationen fühlen müssten, aber auch das fällt mir von Tag zu Tag schwerer. Es ist, als wäre ich ein Computer ohne Betriebssystem, um eine vielleicht ganz plastische Metapher zu verwenden: Das "Rechnen" funktioniert zwar technisch noch, aber das Fundament, die emotionale Grundlage fehlt vollkommen.
Ich kann auch nicht mehr aufhören, zu denken. Der Kopf rast von der ersten Sekunde nach der ich wach werde bis zu dem Moment, an dem ich dann endlich soweit bin und einschlafe. Obwohl ich sogar das Gefühl habe, er würde selbst im Schlaf weiterrasen. Ich habe eigentlich auch keine Kontrolle mehr über das, was ich denke. Ich bin schon immer sehr geschichts-, politik- und neuerdings auch philosophieinteressiert gewesen und meine Gedanken kreisten auch schon früher einen Großteil des Tages um Themen dieser Gebiete, aber in letzter Zeit habe ich einen völlig anderen Bezug dazu entwickelt. Ich nehme das Gedachte nicht mehr als "Objekt" wahr, sondern so, als würde es mich in Gänze und vollkommen persönlich betreffen - die "Denkdistanz" ist sozusagen vollkommen aufgehoben. Das führt dann dazu, dass ich über Stunden hinweg den Zwang empfinde, mich mit den Gedanken beispielsweise Karl Poppers zu befassen - oder was ich dafür halte. Und es dann eben auch nicht mehr abstellen kann.
Teilweise blitzen dabei auch kurze Gedanken auf, bei denen ich mich dann frage, ob sie die Grenze zum Irrationalen überschreiten. Was ich dann oft schon gar nicht mehr so klar beantworten kann. Bis jetzt habe ich es aber immer geschafft, diese Gedanken bei einiger Kraftanstrengung unter dem Deckel zu halten.
Das wahnhafte und natürlich das halluzinierende Moment fehlt zwar noch, aber ich frage mich, wie lange. Dieser völlig kompasslose "Schwellenzustand" zwischen Wahn und Wirklichkeit macht mich fertig. Anruf im örtlichen Früherkennungszentrum - nächster Termin ist im April. Im April, na wenn ich da mal nicht schon mit den Vögeln reden kann. Man, wenn es nicht so ernst wäre, könnte ich fast lachen. Überall liest man, wie wichtig es ist, psychische Erkrankungen nicht zu stigmatisieren und offen darüber zu sprechen, wenn man meint, Symptome an sich zu erkennen. Und wenn man es dann probiert, soll man sich aber doch noch ein schlappes Vierteljahr hinten anstellen.
Ich hatte erst gestern eine vollkommen grundlose Panikattacke. Herzrasen, Schweißausbruch, volles Programm. Ich dachte, jetzt geht's los. Gleich siehste die gefiederten Regenwürmer und hörst deine tote Oma. Aber nichts war, außer dem verschärften Bewusstsein, dass da irgendwas absolut nicht stimmt.
Ich denke, dass ich zu meinem Hausarzt gehen sollte. Werde ich auch gleich Montag tun. Habt ihr bis dahin vielleicht irgendwelche Ratschläge, die mir über die Tage helfen können?
Vielen Dank und verzeiht bitte, falls ich etwas direkt und konventionslos wirke - ich habe momentan eben keinerlei emotionale Antenne.