Selber betroffen - Antwort an Kathi
Liebe alle
Ich hab viele (vor allem die ersten und die letzten) Beiträge gelesen, aber nicht alle hier.
Ich bin selber Arzt und nun seit 2 Monaten von Herpes genitalis betroffen (Herpes genitalis = Herpes simplex Typ 2 = HSV-2). Zuvor hatte ich immer wieder Patienten die daran litten, oder Bekannte die mich nach Rat fragten. Als Antwort kam von mir immer die aktuellen Vorschläge der infektiologischen Guidelines mit Valaciclovir Therapie.
Ich hörte immer wieder, dass ärztliche Kolleginnen und Kollegen in diesem Thema nicht sehr einfühlsam seien und auch nicht alle die adäquaten Antworten geben. Auch ich fand meistens, dass betroffene eine zu grosse Geschichte daraus machen und hatte die Einstellung, dass sie ja eigentlich selber schuld sind, da sie nicht aufgepasst haben. ;(
Nun seit ich selber betroffen bin, habe ich praktisch die gesamte Fach-Literatur zur HSV-2 der letzten 20 Jahre gelesen. (Originalarbeiten auf pubmed).
Mein Fazit: es wissen echt nur ganz wenige Ärzte darüber wirklich Bescheid.
Die Therapie:
Bei einer Erstansteckung lohnt sich eine Therapie mit Valaciclovir über 5-10Tage, wobei die Empfehlungen hier stark auseinander gehen. Und oft klappt das nicht, da viele Ärzte Mini-Ausbrüche als bakterielle Infektion misinterpretieren und eine Antbiotumsalbe. Diese kleinen Infekte gehen dann sowieso vorbei (wie Fieberbläschen an den Lippen vom HSV-1) und für den Patienten war es eine gute Therapie denn: „ich habe die Salbe darauf gestrichen und es war dann gleich gut“.
(Das ist übrigens mit der Frau passiert, die mich angesteckt hat. Auf mein Drängen hin, hat sie dann spezifische HSV-2 Bluttests gemacht die die Infektion nachwiesen.
Nach internationalen Guidelines wird eine durchgehende 1-jährige Suppressionstherapie mit Valaclovir empfohlen, sobald man mehr als 6-10Ausbrüche pro Jahr hat (auch hier verschiedene Empfehlungen).
Die Ansteckung:
Insgesamt sollte allen bekannt sein: Für die Ansteckung des Partners braucht es keine Symptome bei euch. (Auch ich wurde von einer unwissenden Frau angesteckt, die übrigens selber im Medizinbereich arbeitet).
Die Ansteckungsgefahr ist natürlich viel viel geringer, wenn man keinen akuten Ausbruch hat, jedoch nicht 0%.
Dies kann man weiter reduzieren, indem ein Kondom verwendet wird und/(oder) eine zusätzliche virostatische Therapie durchgeführt wird. Das mit der virostatischen Therapie ist jedoch nicht wirklich als Dauerlösung durchführbar. Es sollte einem auch bewusst sein, dass theoretisch eine Ansteckung trotz Benutzung eines Kondoms möglich ist.
Ja theoretisch kann es sein, dass man nie wieder einen Ausbruch hat - das ist aber nicht die Norm.
Durch meine eigene Erkrankung ist mir nun bewusst geworden, wie sehr betroffene leiden. Herpes genitalis ist ein stark verpöntes Thema.
Wichtig ist trotz allem jedoch: Eine Ansteckung kann nur ganz ganz selten sehr gefährlich werden (z.B. Entwicklung einer Meningitis oder Hepatitis bei Erstansteckung). Ansonsten ist sie bei regelrechter Gesundheit nicht gefährlich.
Gefährlich ist auch eine Erstansteckung während einer Schwangerschaft.
Hat man die Infektion erstmalig durchgemacht sind die Rezidive meist in geringerem Ausmass und kommen seltener vor.
Jemand hat hier noch ein Buch von Ute Sperle empfohlen, was ich nicht gelesen habe - jedoch scheint es mir ganz gut, da es Empfehlungen für das Leben mit HSV-2 angibt, was Ausbrüche minimieren soll.
Einige fragten hier ob man den Partner, der keine Symptome hat testen soll : JA. unbedingt.
In dieser Diagnostikfrage sind leider viele ärztliche Kollegen nicht richtig geschult.
ich will das kurz für alle vorstellen:
Diagnose – vorhandene Tests:
der PCR-Test ist der Goldstandard: diesen Test macht man NUR aus dem Inhalt Bläschen während eines akuten Ausbruches. Ich hab schon gesehen, dass Leute mit PCR im Blut getestet wurden. Das bringt nichts - bzw. bringt nur dann was, wenn man im klinischen Setting (meistens ist der Patient bereits auf einer Intensivstation) eine Ausbreitung des HSV-2 im Blut beweisen will - eine sogenannte Virämie. Also PCR nur aus dem Bläschen.
Wenn immer im Körper eine Infektion abläuft bildet unser Immunsystem Antikörper. Es gibt die Antikörper, welche ganz rasch gebildet werden, für die Akutphase die gerade passiert (Ig-M Antikörper (Immunglobulin M)). Nach Abklingen dieser ersten Infektionsphase gibt es dann die Antikörper die im Körper verbleiben, so dass bei einem erneuten Ausbruch die Antwort schneller kommen kann: die sogenannten IgG-Antikörper.
Nun ist es so, dass die aktuellen Tests für den HSV-2 Ig-M nicht sehr akurat sind. Das heisst es gibt sowohl falsch positive, als auch falsch negative Resultate. Falsch positive Resultate können teilweise bei einer gleichzeitig bestehenden Gürtelrose vorhanden sein. Ig-M kann man auch erst ca. 8-15 Tage nach der Infektion nachweisen. z.B: wäre theoretisch für eine Erstinfektion beweisend, wenn der IgM nach Beginn der Symptome noch negativ ist, 1 Woche später dann positiv. (Das macht jedoch kein Arzt, da für „nichts“ Geld ausgegeben wird).
Der IgG hingegen ist sicherer. Da muss man aufpassen, da es Labore gibt, welche einen Kombi-test für IgG für HSV-1 und HSV-2 machen und diese nicht unterscheiden. HSV-1 ist der Erreger des Lippenherpes (kann jedoch manchmal auch Genitalherpes machen), mit welchem je nach Literatur zwischen 80-95% der Weltbevölkerung infiziert sind.
Hat nun jemand einen positiven Test für die spezifischen HSV-2 IgG, dann ist er mit dem HSV-2 infiziert. Paare die sich diese Überlegung machen, empfehle ich spezifisch nach dem HSV-2 IgG Test zu fragen. Ich musste selbst als Arzt in den letzten zwei Monaten feststellen, dass dies vielen Kollegen und Laboren nicht wirklich bewusst ist und dass man spezifisch danach fragen muss.
Somit liebe Kathi: als Antwort deiner Frage: ja: lass deinen Freund den Test machen.
Das ist aber nicht beweisend dafür, dass er dich angesteckt hat. Es kann sein, dass Du dich früher angesteckt hattest, es aber nur zu einem solch milden Ausbruch kam, dass Du ihn gar nicht bemerkt hast.
Beweisend für einen Erstinfekt ist nur, wenn man die IgM innerhalb von 1-3 Wochen 2-3Mal wiederholt und den Zeitpunkt aufzeigt wo sie positiv werden, und gleichzeitig am Anfang einen negativen IgG Test hat – welcher nach 2-3Monaten wiederholt sich als positiv darstellt. Leider wird diese Vorgehensweise nicht von vielen Kollegen unterstützt, da es keine Auswirkung auf das Outcome er Erkrankung hat (Ich habs halt bei mir selber gemacht, da es mir psychisch geholfen zu beweisen, dass es bei mit tatsächlich ein frischer Erstinfekt ist).
Als dritte Möglichkeit kann man auch eine Biopsie von der Stelle machen. Dies macht man erst, wenn die Bläschen alle aufgeplatzt sind und es keine Flüssigkeit gibt. Auch dieser Test kommt sehr selten und meist nur im Kliniksetting zur Anwendung.
Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr diese gerne unten hinschreiben – Kontakt geht leider nicht, da ich keine mail angeben kann. Ich arbeite an der Uniklinik in Zürich.